Unterricht zweiter Wahl?

Viele Menschen scheinen online Unterricht als Unterricht zweiter Wahl zu betrachten. Von manchen Interessenten höre ich Aussagen wie: „So ein hohes Honorar obwohl es nur online Unterricht ist?“.

Hier wird eine Abwertung des online Unterrichts ausgedrückt, die man hinterfragen muss. Ist online Unterricht weniger Wert als persönlicher Unterricht? Mein Fazit nach 3 Jahren:

Online Unterricht ist gleichwertig weil …

Online Unterricht ist vollkommen gleichwertig zum Präsenzunterricht. Zumindest dann, wenn man von Schülern ab Klasse 8 oder 9 spricht. Bei jüngeren Kindern ist es von Fall zu Fall verschieden, ob online Unterricht sinnvoll ist oder nicht.

Wie komme ich nun zu der Behauptung? Ein Beleg wäre ja nicht schlecht!

Praxis

Da ist einerseits die Praxis. Schüler, die sich durch persönlichen Mathe Unterricht verbessert haben, konnten sich auch durch online Unterricht verbessern. Das war besonders gut in den Jahren 2020/ 2021 zu beobachten, das war bei mir die Zeit der Umstellung. Die Gruppe von Schülern, die aus dem persönlichen Unterricht keinen Gewinn ziehen konnte, verbesserte sich durch online Unterricht auch nicht.

In den Jahren 2022 und 2023 erreichten die Schüler (bis auf zwei Ausnahmen) im Matheabitur die Note, die sie erwarteten oder sogar eine bessere Note.

Theorie

Schauen wir uns die theoretische Seite an, die erklärt, was in der Praxis zu beobachten ist.

Dazu werfen wir einen Blick auf die Wirkfaktoren eines erfolgreichen Nachhilfeunterrichts. Hier kann man schon mal festhalten, dass der Wirkfaktor: „Der Lehrer sitzt persönlich neben dem Schüler“ nur sehr selten relevant ist. Sehr selten bedeutet, dass es eben doch manchmal eine Rolle spielt. Also kommen wir erst einmal zu den Dingen, die im online Unterricht problematisch sein können.

Kritische Punkte im online Unterricht

Im online Unterricht habe ich als Lehrer keine direkte Kontrolle darüber, ob der Schüler nebenbei an seinem Handy Nachrichten verschickt oder durch andere Dinge abgelenkt ist. Wenn ein Schüler diesen gewonnen Spielraum ausnutzt, ist die Autorität des Lehrers durch persönliche Anwesenheit durchaus hilfreich für besseren Unterricht.

Dies betrifft überwiegend jüngere Schüler. Und deshalb ist es dann eine Entscheidung von Fall zu Fall, ob der Unterricht online funktioniert oder nicht. Ab Klasse 8 / 9 haben die Kinder aber in aller Regel die Reife, dass sie ihr Handy weglegen oder andere Ablenkungen (auch auf die Bitte des Lehrers) vermeiden.

Ein zweiter kritischer Aspekt im online Unterricht ist, dass ich nicht durch die Hefte des Schülers schauen kann. Auch hier kann der Schüler die gewonnene Freiheit ausnutzen und mir nur das präsentieren, was ihm gerade gefällt und was er gerne macht. Die Sachen, die er gar nicht versteht oder überhaupt nicht mag, verschweigt er einfach. Da ich sehr viel Erfahrung habe und die Lehrpläne gut kenne, merke ich das relativ schnell. Dennoch ist es problematisch, wenn ein Schüler so agiert.

Ein dritter Punkt sind bestimmte Themen in der Geometrie, die ich noch nicht perfekt online zeigen kann. Das betrifft vor allem geometrische Konstruktionen mit Geodreieck und Zirkel, also hauptsächlich die Klassen 6 bis 8. Den Zirkel ins iPad zu stechen hat sich als nicht zielführend erwiesen. Stattdessen gibt es Geometrie und Konstruktionssoftware, die einen Zirkel und ein Geodreieck einblenden. Man konstruiert dann genau so wie ein Lehrer an der Tafel im Klassenraum.

Lernmotivation

Das Thema Lernmotivation ist online genauso gut oder schlecht zu lösen wie im persönlichen Unterricht. In der Vergangenheit gelang der Aufbau von Lernmotivation oft, aber manchmal auch nicht. In den Fällen, wo es nicht gelang, hätte man den Fokus mehr auf die Motivation legen müssen statt auf die Mathematik. Ich wurde aber für Mathe Nachhilfe gebucht und habe diesen Job gemacht. Jetzt, mit dem neuen Angebot hier auf dieser Webseite, biete ich Workshops zur Selbstmotivation und Lerncoaching an. Das sind die Angebote, bei denen man sich ausschließlich um Motivation, Aufschieberitis und Lernverhalten kümmert.

Wirkfaktoren erfolgreicher Nachhilfe

Kommen wir nun zu den wirklich entscheidenden Wirkfaktoren von Nachhilfe. Von denen fällt kein einziger durch den Umstieg auf online Unterricht weg:

  • Eine reife und ausgeglichene Persönlichkeit des Nachhilfelehrers.
  • Hohe Fachkompetenz und Engagement des Lehrers.
  • Die Fähigkeit, eine strukturierte Unterrichtsstunde aufzubauen und in ein Gesamtziel einzufügen.
  • Die Fähigkeit individuelle Lösungen zu finden, die dem Schüler helfen.
  • Die Fähigkeit, Dinge anschaulich und auf unterschiedliche Arten zu erklären.
  • Erkennen von Problematiken des Schülers (Verständnisprobleme, Probleme mit dem Erkennen von Strukturen, Probleme mit der Abstraktion und dem Transfer des gelernten etc.)
  • Erfahrung, Geduld und Verständnis im Umgang mit Jugendlichen.
  • Aufbau und Aufrechterhaltung einer vertrauensvollen / tragfähigen Beziehung der Zusammenarbeit.
  • Akzeptanz durch den Schüler, Aufbau von Autorität.
  • Selbstwirksamkeit des Lehrers und damit die Fähigkeit, Selbstwirksamkeit im Schüler zu stärken (Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung nach Albert Bandura).
  • Aufbau und Stärkung des Selbstvertrauens in die eigenen Mathe Fähigkeiten des Schülers durch das Generieren kleiner Erfolge, gezieltes geben von Bestätigung etc.
  • Regelmäßiger Unterricht, ohne Ausfälle, auf ein langfristiges Ziel ausgerichtet.
  • Unterstützung außerhalb der Nachhilfestunde bei Fragen und Anfällen spontaner Motivation um 22:00 Uhr.

Fazit

Damit steht es 13:3 für online Unterricht vs. Persönlicher Unterricht. Wie wesentlich die drei negativen Aspekte sind, muss jeder selbst für sich bewerten.

Zentral für die Wirksamkeit des Unterrichts ist die Person des Lehrers, vollkommen unabhängig davon, ob der Unterricht online oder persönlich stattfindet. Ein Lehrer, der persönlich guten Unterricht macht, der wird das auch im online Unterricht können, sofern er sein Lehrkonzept an das neue Medium anpasst.